Sonntagnachmittag. Die Sonne kommt überraschend zu Besuch und ich gehe mit meiner Familie am Stechlinsee (Geheimtipp) spazieren. Auf dem Rückweg trotte ich ein bisschen hinterher, als plötzlich in einiger Entfernung ein Mann erscheint, der eine große Fahne um seinen Körper gewickelt hat. In meinem Hirn fängt es an zu rattern – welche Flagge? – und dann fällt es mir doch noch ein: Es ist die ukrainische Staatsfahne. Er kommt näher. Im Stillen hoffe ich, dass er mich wortlos passiert. Fehlanzeige: Ausgerechnet vor mir baut er sich auf und verkündet: „Ich bin eine Ein-Mann-Demo.“
Etwas verwirrt überlege ich, ob ich nicht mit demselben Satz antworten sollte. Irgendwie ist ja jeder Christ, der in der Öffentlichkeit unterwegs ist, eine „Ein-Mann-Demo“. Aber ich will ihn nicht gleich verärgern. „Aha, interessant.“ Einfach weitergehen? Zum konzertierten Gegenangriff ansetzen? Warum eigentlich?
„Darf ich fragen, wogegen sie demonstrieren?“ „Ich möchte, dass die Ukraine nicht in einen Krieg hineingezogen wird. Sie sind ohnehin die Leidtragenden in dieser Region.“ „Das kann ich verstehen“, erwidere ich.
Das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung listet für 2020 359 Konflikte und 21 Kriege auf. Dabei verzeichnete das Jahr 2020 die höchste Steigerung der vergangenen sechs Jahre.
In keinem Jahrhundert haben so viele Menschen ihr Leben in Kriegen verloren wie in dem vergangenen. Man kann die „Ein-Mann-Demo“ verstehen. Kriege sind von ihrem Charakter her etwas Grässliches, Unbarmherziges, etwas unfassbar Dummes. Von Platon ist das resignierende Zitat überliefert: „Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.“ Und JFK bemerkt etwas oberlehrerhaft: „Der Mensch muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“
„Wo liegt die Lösung?“, frage ich den Demonstranten. Das Gleiche fragten mich meine Kinder vor vielen Jahren während einer Autofahrt: „Papa, wo kommt eigentlich Krieg her?“ „Schwierige Frage“, dachte ich damals. Wenn doch die Bibel auf solche Fragen eine deutliche Antwort geben würde…
Dann entdeckte ich Jakobus 4,1: „Woher kommen Kriege und woher Streitigkeiten unter euch? Nicht daher: aus euren Lüsten, die in euren Gliedern streiten? Ihr gelüstet und habt nichts; ihr tötet und neidet und könnt nichts erlangen; ihr streitet und kriegt; ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet; ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, damit ihr es in euren Lüsten vergeudet.“
Die Bibel gibt eine eindeutige Antwort: Kriege kommen nicht von außen, von den Umständen, der Ungleichverteilung der Ressourcen oder woher auch immer. Krieg kommt von innen, aus unserem Herzen, das abgrundtief böse ist. Das verstanden sogar meine Kinder, als ich sie an den letzten Krieg um Klemmbausteine erinnerte, der mit einem heftigen Biss in den Oberarm des „Kriegsgegners“ endete. Ihre „Rahmenbedingungen“ waren eigentlich traumhaft.
„Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“ Das bedeutet nicht nur, dass wir zu wenig beten oder bitten. Es bedeutet, dass uns überhaupt die Beziehung zu Gott fehlt. Wir sehen nicht unsere Kleinheit, unsere Hilflosigkeit, unser Unvermögen. Wir sehen nur auf unsere Lust, und diese Lust tötet und vergeudet, weil sie unserem Egoismus entspringt. Es ist diese Lust, mit der das Elend in dieser Welt begann, als Eva dem Teufel und nicht Gott glaubte.
„Wollen sie nicht Christ werden, ein neues Herz bekommen?“ war meine letzte Frage in unserem kurzen Gespräch. Die „Ein-Mann-Demo“ schaute mich etwas traurig an: „Vielleicht ist das die Lösung.“