König Saul und König David, die ersten beiden Könige Israels, stehen in vieler Hinsicht in starkem Kontrast zueinander. Für beide ist beispielsweise ein Accessoire typisch, ein Instrument, das ihr Leben charakterisiert. Beide benutzten es mit ihrer Hand, und waren im Umgang mit ihm außerordentlich versiert:
…und Saul geriet im Inneren des Hauses in Raserei. David aber spielte die Harfe mit seiner Hand, wie er täglich zu tun pflegte, und Saul hatte einen Speer in seiner Hand. (1.Sam. 18,10)
Da den Israeliten das Schmieden verboten war, gab es fast keine Speere im Land. Nur Saul und sein Sohn Jonathan hatten einen Speer. Schon allein deshalb war der Speer Sauls etwas Besonderes. Diesen Speer hatte er zu allen möglichen und unmöglichen Situationen bei sich: zu Hause in seinem Königspalast hielt er immer den Speer in seiner Hand, ebenso bei der Besprechung mit seinen Soldaten und Knechten. Selbst in der Nacht steckte der Speer griffbereit neben seinem Kopf im Boden. Bis kurz vor seinen Tod stütze er sich buchstäblich auf diesen Speer. Im Umgang damit war er trainiert, immerhin traute er sich zu, mit einem gezielten Wurf einen Menschen an die Wand zu spießen, was glücklicherweise mehrmals misslang. Aber man kann sich unschwer ausmalen, wie dieser cholerische Mensch in seiner Umgebung Angst und Schrecken verbreitet haben muss, wenn er immer mit dieser Mordwaffe auftrat und jederzeit „explodieren“ konnte.
David hingegen ist für ein anderes Gerät bekannt, kein Mordinstrument, sondern ein Musikinstrument. Er wurde an den Königshof berufen, weil er ein begabter Harfenspieler war. Dieses Instrument beherrschte er so gut, dass man ihm zutraute, damit einen rasenden, unberechenbaren König zu besänftigen. Und tatsächlich berichtet die Bibel, dass Saul, wenn David auf seiner Harfe spielte, Erleichterung fand. Doch David benutzte seine Harfe nicht nur, um den König Saul zu besänftigen, sondern auch, um Gott zu loben und zu preisen.
Was ist dein Instrument?
Im Gegensatz dieser beiden Handwerkzeuge liegt offensichtlich eine praktische Lektion, auch wenn es für uns dabei vielleicht weniger um unser Handwerk, als um unser Mundwerk geht. Sind wir für unsere verletzenden Worte bekannt, oder sind wir solche, die andere positiv durch ihr Reden beeinflussen und Gott loben können?
Saul setzte seinen Speer immer wieder gegen David ein, auf den er neidisch war und den er als Konkurrenten um den Thron empfand. Aber sogar nach seinen eigenen Sohn Jonathan warf er den Speer. Das lässt sich leicht auf uns übertragen: Wenn wir auf jemanden neidisch sind, setzen wir unsere spitze Zunge besonders gerne und treffsicher ein. Doch auch innerhalb der Familie sind scharfe und verletzende Worte leider oft zu finden.
David konnte schon mit der Harfe umgehen, bevor er in der Öffentlichkeit eine Rolle spielte. Er hatte das Harfenspiel sicherlich als Jugendlicher beim Hüten der Schafe seines Vaters geübt. Niemals hätte er damit gerechnet, dass ihm das einmal den Ruf an den Königshof bescheren würde. Wie jedes Musikinstrument lässt sich Harfenspielen am schnellsten und besten in der Jugend lernen. Später wird es mühsam und schwer. Deswegen ist es am besten, wenn der richtige Umgang mit der Zunge schon früh trainiert und zur Gewohnheit wird.
Die Bibel berichtet, dass David täglich mit der Harfe spielte. Er beschränkte sich nicht auf Sonn- und Feiertage, sondern war jeden Tag bemüht, mit seinem wohlklingenden Harfenspiel den König zu erfreuen und zu besänftigen. Auch hier drängt sich ein Vergleich auf: Unsere Zunge ist zwar ständig in Gebrauch, aber achten wir darauf, nur das zu sagen, was wahr, rein und wohllautend ist? Oft sind wir täglich mit solchen Menschen konfrontiert, bei denen uns wohlklingende Rede am schwersten fällt. Hier können wir von David lernen. Er blieb ausdauernd und hörte selbst nach der ersten Speerattacke seines Feindes nicht auf, für ihn zu spielen.
David hatte mindestens einmal die Gelegenheit, „den Spieß umzudrehen“. Er wurde aufgefordert das Handwerkszeug Sauls zu benutzen und ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Als er nachts heimlich in die Wagenburg Sauls eindrang, fand er den schlafenden Saul und dessen Speer neben ihm. Sein Freund Abisai bot ihm dabei sogar an, dass er zustechen würde, sodass David sich noch nicht einmal die Hände schmutzig machen müsste. Doch selbst in dieser verlockenden Situation blieb David seinen Prinzipien treu und vergalt nicht Böses mit Bösem. Doch er nahm den Speer mit und entwaffnete damit seinen ärgsten Konkurrenten, sodass dieser beschämt sein Fehlverhalten zugeben musste. Ist das nicht ein herausforderndes Beispiel für uns? Wenn wir Gelegenheiten auslassen, uns mit Worten für verbale Angriffe des anderes zu revanchieren und es auch nicht gutheißen, wenn andere das für uns tun, werden wir ihn entwaffnen und sprachlos sein lassen. David ist hier ein eindrückliches Beispiel für die Ermahnung des Paulus an uns, soweit an uns liegt mit allen Menschen in Frieden zu leben, uns nicht selbst zu rächen und das Böse mit dem Guten zu überwinden.
David nutzte häufig seine Harfe, um Gott zu loben – die Psalmen vermitteln ein eindrückliches Bild davon. Viele Jahrhunderte später prangerte der Prophet Amos an, dass das Harfenspiel und das Lob Gottes zu einer rein äußerlichen Formsache geworden waren. Gott verurteilte den Gottesdienst des Volkes Israel, das sich innerlich weit ihrem Gott entfernt hatte: „Halte den Lärm deiner Lieder von mir fern! Und das Spiel deiner Harfen will ich nicht hören“ (Amos 5,23). Schon David war sich der Gefahr bewusst, dass das Lob nicht mehr aus reinem Herzen kommen und Gott daher nicht gefallen kann. Deswegen betete er in Psalm 19 das beeindruckende Gebet: „Lass das Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig sein vor Dir“. Hier steckt sicherlich das Geheimnis für Davids segenreiches und wirkungsvolles Harfenspiel.
…und in Zukunft?
Interessant ist es, dass beide Instrumente noch im Neuen Testament zu finden sind. Der Speer nur ein einziges Mal, nämlich dort, wo ein römischer Soldat mit einem Speer den Herrn Jesus am Kreuz durchbohrt. Während Sauls Speer immer sein Ziel verfehlte, traf dieser genau. Jedes böse Wort und jeder freche Kommentar verletzten Gottes Heiligkeit. Sie durchbohrten letztlich den Sohn Gottes, als er am Kreuz starb. Da hat der Herr „ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeiten“ (Jes 53,6).
Erstaunlicherweise ist danach nie mehr von einem Speer die Rede! Haben wir den Ernst des Kreuzes verstanden soll auch in unserem Leben mit den Wortgefechten und Sticheleien Schluss sein.
Die Harfe dagegen kommt im Neuen Testament noch öfters vor. In der Offenbarung, wo uns einen Einblick in die Zukunft gewährt wird, ist symbolisch von Harfen die Rede, die die Gläubigen zum Lob Gottes spielen. Die Harfe ist also das Instrument, das wir noch in der Ewigkeit gebrauchen werden. Sollten wir deshalb den segensreichen Umgang mit unserer „Harfe“ nicht hier schon üben? Lasst uns „Harfenspieler“ und keine „Speerwerfer“ sein!