Lass mich raten: Wahrscheinlich startest du gerade ein (weiteres?) Semester an irgendeiner der 423 Hochschulen (1) in Deutschland. Zumindest statistisch ist das ziemlich wahrscheinlich, denn seit dem Jahr 2020 begannen erstmals mehr Menschen ein Hochschulstudium als eine Berufsausbildung. (2) Ich schreibe an Studierende. Denn immer mehr junge Menschen, und damit auch junge Christen, gehen zur Uni statt zur Arbeit. Das war vor einigen Jahren noch anders. „Im Jahr 1992 begannen fast doppelt so viele Jugendliche eine berufliche Ausbildung als ein Hochschulstudium.“ (3) Wenn du derzeit nicht studierst, sondern in der Lehre bist (oder warst) – meinen Glückwunsch! Ich glaube ein routinierter Arbeitsalltag, klare Anweisungen und auch mal Unangenehmes durchzuziehen tut sehr vielen Jungs und Mädels nach der Schule total gut. Und dieser Artikel kann auch dich inspirieren, wenn du an der Werkbank stehst oder im Büro sitzt, statt im Audimax.
Eine einmalige Chance
Wenn du Student bist, befindest du dich in einem Lebensabschnitt, der unglaublich großes Potential in sich birgt. In kaum einer anderen Lebensphase wirst du (je nach Studiengang) so viel Zeit, Energie, Freiheit und Kreativität haben wie jetzt. Das ist spannend. Doch eine andere Tatsache ist noch viel spannender: Du hast tagtäglich mit den Menschen zu tun, die für unsere Gesellschaft entscheidende Posten eingenommen haben: deine Dozenten und Professoren. Die nächsten Jahre besuchst du ihre Vorlesungen und Seminare, schreibst ihre Klausuren und Prüfungen, gibst ihnen deine Essays und Hausarbeiten ab. Sie, und nicht Politiker oder Wirtschaftsbosse, sind es, die Deutschland und die Welt am nachhaltigsten beeinflussen. Ich gehe davon aus, dass dir bewusst ist, dass du für deine ungläubigen Kommilitonen ein Wegweiser zu Jesus sein sollst. Doch hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du das gleiche auch für deine Professoren sein kannst?
Fingerspitzengefühl
Klar, das klingt erst einmal unmöglich. Das Hierarchie-Gefälle zwischen Student und Dozent ist steil. Locker-flockig ein Gespräch über die persönlichsten Glaubensüberzeugungen starten ist nicht oder nur in Ausnahmefällen möglich. Es braucht Jahre. Aber die hast du ja, mindestens drei, oft auch mehr. Ich habe in meinem Studium leider einige Gelegenheiten ungenutzt gelassen und Dinge falsch gemacht, wenn es darum ging, ein leuchtendes Zeugnis für Jesus zu sein. Aber hier ist mein bescheidener Fahrplan für dich, deine Dozenten mit Jesu rettender und befreiender frohen Botschaft zu erreichen:
- Gebet: Hier fängt immer alles an. Nimm dir vor, für ein, zwei, oder drei Dozenten oder Professoren, mit denen du öfters zu tun haben wirst, wöchentlich oder täglich zu beten. Bete für Gelegenheiten, eine Beziehung aufzubauen. Bete für das Wirken des Heiligen Geistes am Herzen der betreffenden Person. Bete, dass du in passende Kurse oder Vorlesungen kommst. Begleite das ganze jahrelange Unterfangen in allen Fragen und Herausforderungen im Gebet, wobei du dich auch mit anderen Christen zusammentun kannst. Und ganz nebenbei wirkt das Gebet bei dir selbst, dass dir dieser Mensch mehr und mehr am Herzen liegen wird.
- Fleiß: Das soll generell für dein Studium gelten, hierbei aber im besonderen. Ja, richtig gelesen. Die studentische Unkultur der notorischen Faulheit, des ständigen Verschlafens, des verantwortungslosen Fristen-Überschreitens ist zutiefst unchristlich. Ich spreche natürlich nicht von Perfektion. Aber von Produktivität. Ich weiß noch, wie unglaublich peinlich es war, als meine Professorin mich in einer Sprechstunde zur Rede stellte, warum ich denn den Seminartext nicht gelesen hätte. Paulus sagt den Knechten in Titus 2,10, dass sie mit ihrem Fleiß „die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren [sollen] in allem.“ Das Evangelium, die Glaubensinhalte, die du vermitteln möchtest, sollen verziert werden, ansehnlich, anziehend gemacht durch deinen Fleiß. Und zwar „in allem“. Das ist Paulus’ Befehl, keine Empfehlung. Christliche Studenten sollten sich dadurch auszeichnen, dass sie ihre Hausaufgaben erledigen, ihre Hausarbeiten fristgerecht einreichen und sich in den Kursen intelligent und interessiert beteiligen. Das hat nichts mit Schleimerei zu tun, sondern damit, dass du deinen Dozenten mit dem Evangelium erreichen möchtest. Das ist die Grundvoraussetzung für den Aufbau einer Beziehung.
- Sprechstunde: Man kann aus der Studentenmasse herausstechen, wenn man schon ein kleines Maß an Interesse zeigt und ein gewöhnliches Engagement an den Tag legt. Nicht wenige Dozenten klagten mir im Gespräch das gähnende Desinteresse vieler ihrer Seminarbesucher. Da ist es nicht schwer, positiv aufzufallen. Ganz besonders gilt das für Gesprächsangebote ihrer Sprechstunde, welche die meisten Dozenten bei Projekt- oder Hausarbeiten anbieten. Das sind die goldenen Gelegenheiten. Aber halblang: Es geht nicht darum, Johannes 3,16 rauszupfeffern und dann schnell wieder abzuhauen. Es geht um Beziehungsaufbau. Sprich deine gut vorbereitete Projektstruktur oder den Hausarbeitsentwurf mit deinem Prof durch und zeige ihm oder ihr, dass du gute Arbeit leisten kannst. Sei freundlich, höre zu, bringe gute Fragen mit. Wenn du das über mehrere Semester tust, wirst du schon bald den sprichwörtlichen Stein im Brett haben. Bei irgendeiner Gelegenheit wirst du so ein Gespräch über tiefere, philosophische und schließlich theologische Fragen lenken können. Ich glaube, dass man fast über jedes Hausarbeitsthema auf ein geistliches Gespräch lenken kann, wenn auch nur Schritt für Schritt. Die Gedankengänge und Übergänge musst du dir im Vorhinein überlegen. Mir hilft dabei oft, auf einem Zettel meine Gedanken aufzumalen.
- Buchgeschenk: Nur sehr selten konnte ich mit Dozenten ausgiebig über das Evangelium reden. Doch zum Abschluss des Studiengangs oder nach der letzten Modulabschlussprüfung hast du nun die einmalige Gelegenheit, deinem Dozenten ein Buchgeschenk zu machen. Wegen der entstandenen Beziehung ist das auch gar nicht komisch. Überlege dir nette, angemessene Worte. Du kannst eine Widmung reinschreiben. Achte auf die Buchauswahl: Es sollte am besten ein wissenschaftlich angesehener Autor sein, so ist es in der universitären Welt nun einmal. Bei Autoren wie John Lennox, Vishal Mangalwadi oder C.S. Lewis findest du eine gute Auswahl. Bete noch Wochen oder Monate weiter, dass das Buch auch wirklich gelesen wird.
Du bist genau da, wo Gott dich hingestellt hat und haben will. Kaufe diese Gelegenheit voll aus! Wir sind es den verlorenen Menschen dieser Welt, ob Student oder Dozent, schuldig. Also, leg los!
(1) Statistisches Bundesamt: Hochschulen nach Hochschularten (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/Tabellen/hochschulen-hochschularten.html, abgerufen am 08.08.2023).
(2) Demografieportal: Ausbildungs- und Studienanfänger (https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/ausbildung-studium-anfaenger.html#:~:text=Allerdings%20sinkt%20die%20Zahl%20der,000%20Personen%20ein%20Studium%20begonnen, abgerufen am 08.08.2023).
(3) Ebd.